Vortrag: Dr. QIAN Yuejun
Workshops: CHEN Zhongxian, CHANG Hu und Dr. QIAN Yuejun

Viele frühe Schriftsysteme der Menschheit waren in ihrem Ursprung Bilderschriften, aus denen sich nach und nach Alphabetschriften entwickelten, wie zum Beispiel die sumerische Keilschrift und die ägyptischen Hieroglyphen, die etwa um 3300 v.Chr. entstanden und heute als älteste bekannte Schriften gelten. Das phönizische Alphabet aus dem 11. Jahrhundert v. Chr. war die Grundlage für zahlreiche heute noch genutzte Alphabetschriften, wie das lateinische, griechische, kyrillische, arabische und hebräische Alphabet.
Auch die chinesische Schrift war in ihrem Ursprung eine Bilderschrift. Die ältesten bekannten Zeugnisse sind die sogenannten „Orakelknochen“ – zu Weissagungszwecken in Rinderknochen und Schildkrötenpanzer eingeritzte Bildzeichen aus der Zeit um etwa 1400 v. Chr.. Im Zuge der Reichseinigung unter dem ersten Kaiser Qin Shihuangdi 221 v. Chr. wurden Maße, Gewichte und Schriftzeichen im ganzen Reich vereinheitlicht.

Traditionell werden die chinesischen Schriftzeichen nach dem ersten Zeichenlexikon, dem Shuowen Jiezi aus dem 2. Jahrhundert unserer Zeitrechnung, in sechs Kategorien (六书) eingeteilt, basierend auf der Art und Weise, in der sie gebildet werden:

1) Bildzeichen/Piktogramme (象形, xiàngxíng)
2) einfache Ideogramme (指事)
3) zusammengesetzte Ideogramme (会意)
4) Phonogramme (形声)
5) Entlehnungen (假借)
6) Synonyme (轉注 / 转注).

Bis heute bekannte und genutzte Bildzeichen sind zum Beispiel 人Mensch, 日Sonne oder 月Mond. Damit sind Schriftzeichen dieser Kategorie die einzigen, in denen sich piktographische Elemente bis in die Gegenwart erhalten haben. Dennoch ist die chinesische Schrift nur zu einem sehr kleinen Teil als Bilderschrift zu verstehen. Sie ist allerdings auch keine Alphabetschrift geworden. Tatsächlich sind die Phonogramme die mit Abstand größte Gruppe chinesischer Schriftzeichen: Sie stellen eine Verbindung von phonetischen (lauttragenden) und semantischen (bedeutungstragenden) Elementen dar und machen über 90% aller Schriftzeichen aus.

Fast alle Schriftkulturen der Menschheit haben eigene Kalligraphie-Traditionen. In der chinesischen Kultur nimmt die Kalligraphie indes als die vielleicht bedeutendste traditionelle Kunstform mit ihrer bemerkenswerten kulturellen und ästhetischen Tiefe eine ganz besondere Stellung ein. Dies gilt ähnlich auch für die japanischen und koreanischen Schriftkulturen, die bis heute auch chinesische Schriftzeichen benutzen, und auf deren Grundlage außerdem auch eigene Schriftsysteme entwickelt haben.

Wir laden alle Kalligraphie- und Kunstinteressierten zu dem bevorstehenden Kalligraphie-Tag ein!

Herr Dr. QIAN Yuejun hält den Vortrag „Chinesische Schrift und Kalligraphie“ zu den Themen:

• Besonderheiten der chinesischen Schrift
• Die sechs Kategorien der chinesischen Schriftzeichen
• Ursprung und Erforschung der Xiangxing-Schriftzeichen
• Die Entwicklung der klassischen chinesischen Schriftarten (Siegelschrift篆, Kanzleischrift隶, Regelschrift楷书, Kursivschrift行书, Grasschrift草书)
• Kalligraphie, Lebensphilosophie und Gesellschaft seit der frühen Kaiserzeit bis in die Gegenwart
• die Siegelschneidekunst im Vergleich zwischen chinesischer und europäischer Kunst

Anschließend finden Kalligraphie-Workshops mit den drei Meistern CHEN Zhongxian (Grasschrift und Malerei), CHANG Hu (Regel- und Kursivschrift), Dr. QIAN Yuejun (Kanzlei- und Siegelschrift) statt. Hier können Sie die ganze Bandbreite der chinesischen Kalligraphie erleben und auch selbst ausprobieren!

Wann: 20.04.2024, 14:00 – 17:00 Uhr
Vortrag „Chinesische Schrift und Kalligraphie“, Dr. QIAN Yuejun: ab 14:00 Uhr
Wo: Konfuzius-Institut Frankfurt, Eschersheimer Landstr. 60-62, 60322 Frankfurt am Main