Buchclub 2026

Chinas literarische Tradition reicht mehrere Jahrtausende zurück, sie gehört zu den reichsten der Welt. Aber auch zeitgenössische Literatur aus China ist ausgesprochen vielfältig, spannend, oft überraschend. Und obwohl Übersetzungen chinesischsprachiger Literatur auch im Ausland immer mehr Fans finden – insbesondere Science Fiction aus China ist in den letzten Jahren zunehmend bekannt und beliebt geworden – sind Vielfalt und Bandbreite chinesischer Literatur hierzulande dem breiten Publikum noch immer weitgehend unbekannt.

Der Buchclub findet zu den unten angegebenen Terminen jeweils von 18:30 – 20:00 Uhr Uhr online statt.

Bitte beachten Sie, dass die behandelten Werke im Buchclub inhaltlich diskutiert werden sollen. Daher empfehlen wir für die Teilnahme die vorherige Lektüre!

Wann: Zu den unten angegebenen Terminen jeweils von 18:30 – 20:00 Uhr
Wo: Diese Veranstaltung findet über die Videokonferenz-Plattform Zoom statt:
https://us02web.zoom.us/j/2164672202
Meeting-ID: 216 467 2202

Die Anmeldung (freiwillig) finden Sie ganz unten auf dieser Seite.

Folgende Bücher möchten wir im Buchclub 2026 besprechen:

13. März 2026, 18:30 Uhr: „Im Spiegel der Ahnen“, Jimmy Brainless (Lesung mit dem Autor)

Mit dem Drachenbootfest endet der erste Band von Jimmy Brainless‘ interkontinentalem Epos, Im Schein der Pfütze. Der taiwanische Teil der Familie hat sich, wie es Brauch ist, um den Hausaltar versammelt und bringt den Toten Opfergaben dar. Auch das Bild der Mutter des Ich-Erzählers Simon, des zwischen Tainan und Wien Hin- und Hergerissenen, steht da. Pfützen, diese segelnden Schiffe der Spiegelung (Octavio Paz), sind für Simon das probate Mittel, in die Vergangenheit zu blicken. Gespiegelt werden im zweiten Teil nun die Ahnen; Anton etwa, ein fröhliches Kind aus dem 9. Wiener Gemeindebezirk, das beim Spiel ein Auge verliert und dann den Vater im Zweiten Weltkrieg; auf der anderen Seite der Erdkugel die herzensgute Ama, in ein unter den japanischen Besatzern unruhiges Taiwan geboren und zur Thanatopraktikerin ausgebildet. Die erlernten Griffe muss sie später an ihrer eigenen Tochter, Simons Mutter, anwenden. Wer ist schuld an ihrem Unfalltod? Wir ahnen es: Die Antwort ist weitverzweigt in dieser schillernden, sprachverspielten, tragikomischen, geschichten- und geschichtsreichen Familiensaga!

Jimmy Brainless: Im Spiegel der Ahnen, ISBN 9783990142707, E-Book verfügbar

08. Mai 2026, 18:30 Uhr: „Aufzeichnungen eines Krokodils“, Qiu Miaojin

Im Taipeh der 1980er-Jahre, kurz nach Aufhebung des Kriegsrechts, kämpfen Studierende einer Eliteuniversität darum, ihr Leben nach eigenen Überzeugungen entwerfen zu können. Doch wie kann so ein Leben tatsächlich aussehen? Begriffe von Freiheit, Liebe und dem Leben müssen für sie neu definiert werden. Teil dieser Gruppe von eigensinnigen Außenseitern ist Lazi, die sich in ihre ältere Kommilitonin Shui Ling verliebt und sich zunächst den Gefühlen verweigert, bis sie zur Obsession werden. Ihre Gedanken und Emotionen verarbeitet Lazi in einer Collage von Texten. Mal verfasst sie Tagebucheinträge, mal Gedichte oder Parabeln von Krokodilen, die sich mit menschlicher Kleidung verhüllen, um in der Öffentlichkeit nicht aufzufallen, und eine Vorliebe für Windbeutel und Pelze hegen.

Voller Humor und Tiefgang erzählt Lazi von den Höhen einer neuen Liebe und dem Leid, das sie durch Homophobie, Frauenfeindlichkeit und klassische Geschlechterrollen erfährt. Somit greift Aufzeichnungen eines Krokodils einer Debatte über queere Identitäten und Repräsentation vor, die fast dreißig Jahre nach dem Erscheinen des Buches aktueller ist denn je.

Qiu Miaojin: Aufzeichnungen eines Krokodils, ISBN 9783751845045, E-Book verfügbar

Leseprobe

19. Juni 2026, 18:30 Uhr: „Geistermonat“, Ed Lin (zusammen mit der Herausgeberin des Drachenhaus Verlages, Dr. Nora Frisch)

Ein Mord. Eine Erinnerung. Ein Sommer zwischen Geistern, Göttern und dunklen Wahrheiten.

Als Jingnan in der Mittagshitze Taipeis vor seinem Nudelstand sitzt, erreicht ihn eine Nachricht, die sein Leben aus der Bahn wirft: Julia, die Frau, die er einst heiraten wollte, ist tot – erschossen beim illegalen Betelnussverkauf. Doch warum war ausgerechnet sie, die einstige Musterschülerin und Hoffnungsträgerin, in diese zwielichtige Welt abgerutscht?

Während ganz Taiwan den Geistermonat begeht – eine Zeit, in der die Toten in die Welt der Lebenden zurückkehren und die Gehwege mit Opfergaben vollgestellt sind, – begibt sich Jingnan auf die Suche nach Antworten. Und je tiefer er in die Vergangenheit eintaucht, desto unklarer wird, was Wahrheit und was Aberglaube ist.

„Geistermonat“ ist ein spannender Kriminalroman und zugleich ein literarischer Trip durch das urbane Taiwan, das sich zwischen Moderne und Mythos bewegt. Sarkastisch, melancholisch, voller Atmosphäre und mit einem Protagonisten, den man so schnell nicht vergisst.

Ed Lin: Geistermonat, ISBN 9783943314953254

31. Juli 2026, 18:30 Uhr: „Schwanentage“, Zhang Yueran

Das Kindermädchen Yu Ling arbeitet für ein wohlhabendes Ehepaar der chinesischen Elite und kümmert sich hingebungsvoll um deren siebenjährigen Sohn. Yu Ling kennt die Geheimnisse der Familie bis ins Detail, ihre Arbeitgeber hingegen ahnen nicht, dass auch sie einiges verbirgt. Eines Tages plant Yu Ling in der Hoffnung auf Lösegeld und ein besseres Leben, den Jungen zu entführen. Doch es kommt ganz anders: Großvater und Vater des Jungen werden wegen Korruptionsverdachts verhaftet, die Mutter verschwindet spurlos – und Yu Ling ist plötzlich gezwungen, Entscheidungen zu treffen, die weit in die Zukunft reichen, für sich wie für den Jungen …

Zhang Yueran schreibt zärtlich, doch mit unerbittlicher Prägnanz über Beziehungsdynamiken und Klassismus aus der Sicht eines Kindermädchens und gewährt so einen einzigartigen Blick auf die chinesische Gesellschaft.

Zhang Yueran: Schwanentage, ISBN 9783753001111, E-Book verfügbar

18. September 2026, 18:30 Uhr: „Taschendiebe“, Liu Zhenyun

Als Liu Yuejin, einem gutmütig-treuherzigen Koch, auf einer Pekinger Großbaustelle seine Geldtasche gestohlen wird, bricht für ihn eine Welt zusammen. Darin waren Bargeld und ein Schuldschein, um sich mit einem kleinen Restaurant selbständig zu machen. Der Bestohlene begibt sich auf die Jagd nach seiner Tasche – eine Jagd, die ihn immer tiefer in die örtliche Unterwelt verschlägt.

Statt an seine eigene gerät er an eine andere gestohlene Tasche, die einem vormals milliardenschweren, nun schwer verschuldeten Bau-Unternehmer gehört und einen Memorystick mit hochbrisantem Material enthält.

In der nachfolgenden Serie von Zufällen und Verwicklungen, hinterlistigen Intrigen und raffinierten Schach- und Winkelzügen erweist sich der vermeintlich einfältige Koch Liu Yuejin als erstaunliches Schlitzohr und zieht den Kopf noch einmal aus der Schlinge. Allerdings hat er eine Domino-Reaktion von Verwicklungen ausgelöst, aus der er sich – das wird am Ende klar – so schnell nicht wird befreien können.

Liu Zhenyun: Taschendiebe, ISBN 9783941651012, E-Book verfügbar

27. November 2026, 18:30 Uhr: „Die Erde bebt“, Alai (zusammen mit der Herausgeberin des Drachenhaus Verlages, Dr. Nora Frisch)

Ein erschütternder Roman des tibetischen Autors Alai (阿来): Die Erde bebt verknüpft die Erinnerung an das Erdbeben in Sichuan 2008 mit einer tief berührenden Erzählung über Verlust, Ritual und Hoffnung.

Ein Dorf zwischen Leben und Tod
Im Zentrum steht Aba, Dorfschamane und Träger des immateriellen Kulturerbes im abgelegenen Bergdorf Yunzhong. Während alle anderen fliehen, kehrt er zurück an den Ort der Katastrophe, um den Toten beizustehen und die Geister der Berge zu besänftigen.

Aba weigert sich, Yunzhong zu verlassen – wohlwissend, dass der instabile Hang das Dorf und ihn selbst eines Tages verschlingen wird. In eindringlichen Gesprächen, tibetisch-buddhistischen Ritualen und stillen Momenten mit den Verstorbenen entfaltet sich eine Geschichte von tiefer Menschlichkeit, Spiritualität und der Unausweichlichkeit des Schicksals.

Spiritualität und Erinnerung in Zeiten der Katastrophe
Mit feiner Sprache, großer Empathie und erzählerischer Wucht erschafft Alai ein kraftvolles Bild vom Umgang mit dem Unfassbaren. Die Erde bebt ist eine literarische Auseinandersetzung mit Erinnerung, Verlust, Natur und den Grenzen menschlicher Kontrolle.

Der Roman zeigt, wie individuelle Spiritualität, kollektives Gedächtnis und Tradition in Zeiten der Zerstörung zu Kräften der Heilung werden.

Ein Meisterwerk der chinesischen Gegenwartsliteratur

Alai, einer der bedeutendsten tibetischen Schriftsteller Chinas, verbindet in diesem Werk moderne chinesische Literatur mit tibetischer Kultur, Mythen und Ritualen.

Sein Roman führt Leserinnen und Leser in eine Welt, in der Mensch und Natur, Vergangenheit und Gegenwart, Leben und Tod miteinander verwoben sind.

Die Erde bebt ist mehr als ein Roman über ein Erdbeben – es ist eine poetische Meditation über Erinnerung, Spiritualität und die Widerstandskraft des menschlichen Geistes.

Alai阿来: Die Erde bebt (Der Umgang mit dem Unbegreiflichen), ISBN 9783943314915356

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